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REEcovery – Rare Earth Element Recovery

Kupfer, Eisen, Platin, Gold – manche chemischen Elemente sind geläufige Begriffe, unter denen sich fast jeder etwas vorstellen kann. Die Seltenerdelemente (SEEs) dagegen laufen unter dem Radar – obwohl sie in Handys, Autos, eigentlich fast allen elektronischen Endgeräten verbaut sind. Wer schon einmal von SEEs gehört hat, tat dies vermutlich in der Diskussion um ein in Schweden entdecktes Vorkommen (2023), was als erstes abbaubares Vorkommen im europäischen Raum gilt und als Hoffnungsträger für europäische Rohstoffunabhängigkeit gilt. Denn durch die heutige Allgegenwärtigkeit von SEE besteht eine stark wirtschaftliche Anhängigkeit von den abbauenden Ländern, allen voran Weltmarktführer China.

Mit dem Abbau von SEE werden nicht nur wirtschaftliche, sondern auch Umwelt- und Nachhaltigkeitsbedenken verknüpft. Dagegen bietet das Recyceln eine zukunftsfähige Kreislaufperspektive, in der SEE-enthaltende Produkte nach Ende ihrer Lebensdauer auseinandergenommen und die SEE daraus wiedergewonnen werden. Das Recycling von SEEs aus Alltagsgegenständen steckt allerdings noch in den Kinderschuhen, denn hoher Aufwand und hohe Kostenerschweren die Wiederverwertung. 

In diesem Projekt wird aus Bodenproben die elementare Zusammensetzung bestimmt und die darin vorhandenen SEE-Bakterien werden anhand genomischer Analysen quantifiziert. Denn das biochemische Recycling von SEE bietet sich an: manche Bakterien bauen diese Elemente selektiv ein, und man kann sie dann in reiner Form zurückgewinnen (Sendung mit der Maus). 

Für mehr Details, klick dich doch gerne durch die Themenliste unten. Da steht auch nochmal ganz genau, warum wir dich benötigen!

Hintergrundwissen

Seltenerdelemente

Die Seltenerdelemente (SEE, umgangssprachlich auch Seltene Erden) fassen eine Gruppe von Elementen aus dem periodischen System der Elemente zusammen. Vom Menschen wurden die keineswegs seltenen Elemente großteils erst im 19. und 20. Jahrhundert in ihrer Reinform entdeckt und bis heute sind sie nur aufwendig abbaubar, was ihren irreführenden Namen bedingt. Dabei kommt kaum ein Elementgruppe den SEE in Relevanz für das digitalisierte Zeitalter gleich: SEEs sind regulär in Handys und Laptops verbaut, ohne sie wären Elektroautos nicht denkbar und sie erlauben es der modernen Medizin, im MRT detailliert das Körperinnere abzubilden. 

Wer sich mit Chemie nur im Alltag auseinandersetzt, wird die Position der SEE im Periodensystem leicht verwirren: seltsam versetzt und in die untere Ecke geschoben verstecken sich die 17 Elemente in der 3. Hauptgruppen und der vorletzten Reihe (siehe Abbildung 1). Die abgesonderte Position lässt sich anhand ihres atomaren Aufbaus und den daraus resultierenden Eigenschaften erklären: sie weisen eine ähnliche elektronische Struktur auf. Durch ihre chemische Ähnlichkeit sind die SEE nur schwer voneinander zu trennen, und da sie oft gemeinsam in Mineralerzen auftreten, müssen sie nach dem Abbau oft mit in aufwendigen, mehrschrittigen Prozessen unter hohen Wasser- und Energieverbrauch aufgeschlossen werden, wobei unter anderem auch radioaktiver Müll anfällt. Auch das Recyclen aus Elektromüll gestaltet sich schwierig. Daher werden die Seltenerdelemente auch als „kritisch eingestufte Rohstoffe“ bezeichnet.[i] 


[i] Europäische Kommission, 3. September 2020, data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-10435-2020-INIT/de/pdf.

Warum ist der SEE-Konsum in Deutschland nicht nachhaltig?

SEE kommen in weltweit in fast allen Böden vor: gräbt man im eigenen Garten und analysiert die Erde nach ihrer Elementaufteilung, ist es nicht unwahrscheinlich, dabei auch auf SEE zu stoßen. Allerdings ist die Konzentration der SEE in Böden in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen als zu gering eingeschätzt, um für den Abbau von Relevanz zu sein. Hinzu kommt das Problem, dass die Zusammensetzung der Mineralerze variiert und derzeit hauptsächlich für drei Mineralgesteine (Bastnäsit, Monazit und Xenotim) etablierte Aufbereitungsprozesse vorhanden sind. 

Daher ist Deutschland, ähnlich wie der Rest der Europäischen Union, vom SEE-Import abhängig: etwa 85 % des weltweiten Bedarfs (~ 214 000 t) wurden 2020 in Bergabbaugebieten in China produziert, während die USA, Australien und Myanmar als Produzenten hinterherhinken. Die zweite Stütze der SEE-Versorgung, die Wiederverwendung, steht noch in den Kinderschuhen, denn gerade mal aus einer einstelligen Prozentzahl der weltweiten Endprodukte werden SEE zurückgewonnen. Die sich daraus ergebende wirtschaftliche Abhängigkeit der Europäischen Union und Deutschlands von anderen Ländern wird weithin als problematisch eingestuft.

In den vergangenen Jahren äußerten wiederholt Umweltorganisationen und NGOs (sowie das Umweltbundesamt) Bedenken zur Nachhaltigkeit des SEE-Abbaus in China. Durch ungleiche Verteilung der SEE in den Erzen fallen hohe Mengen an Nebenprodukten, Tonnen an versäuertem Abwasser und zum Teil auch radioaktiver Müll an.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die heutigen weltweiten Geflechte der SEE-Abhängigkeiten weder aus politischer, wirtschaftlicher noch ökologischer Sicht als nachhaltig einzustufen sind, und ein hohes Risiko der Versorgungssicherheit besteht. Diese Bedenken werden verstärkt durch einen stetig steigenden Bedarf an SEE. 

Die Rolle von Bakterien fürs Recycling

Alle Mikroorganismen benötigen Metalle zum Leben. Das ist auch beim Menschen so: ein bekanntes Beispiel ist hier beispielsweise das Eisen, das unter anderem in roten Blutkörperchen eingebaut wird. Mangelt es an Eisen, leidet man häufig unter Abgeschlagenheit und Müdigkeit – man funktioniert nicht mehr richtig. Ähnlich ist das auch bei Mikroorganismen der Fall, beispielsweise Bakterien. Diese benötigen für ihren Stoffwechsel Enzyme, um zu wachsen. 

Im Boden lebende Mikroorganismen sind direkt an die Umwelt gebunden und notwendigerweise daher für ihr Überleben den lokalen Begebenheiten angepasst. Sind SEE im Boden vorhanden und mobilisierbar, bietet sich ein evolutionärer Vorteil gegenüber konkurrierenden Arten, für die die SEE nicht nutzbar sind. Daher gibt es methylotrophe Bakterien, die zusätzlich auch SEEs als Nährstoffe nehmen können. Solche Bakterien kann man identifizieren, indem man ihr Genom (also ihre DNA) auf das Vorkommen und die Häufigkeit bestimmter Gene untersucht. 

Interessant für unser Projekt wird es, wenn Bakterien zwischen den ähnlichen SEEs unterscheiden und diese selektiv anreichern können. Diese Fähigkeit könnte man beispielsweise beim Recycling ausnutzen, und so aus Elektroschrott wieder reine SEEs erhalten. Der Erhalt von reinen SEEs aus Elektroschrott ist für die wirtschaftliche Wieder- und Weiterverarbeitung von großer Bedeutung, wie auch erklärt unter “Warum [] der SEE-Konsum in Deutschland nicht nachhaltig [ist]?”.

Methylotrophe Bakterien

Methylotrophe Mikrorganismen sind besonders, da sie sich unter anderem von Methanol ernähren können. Methanol ist sozusagen die “kleine Schwester” vom Trinkalkohol Ethanol, und ist für den Menschen schon in kleinsten Mengen giftig. Vielleicht habt ihr von Methanol schonmal im Kontext von der Destillation von Trinkalkohol gehört - man trennt dabei das giftige Methanol ab, denn sonst würde der Konsument innerhalb kürzester Zeit erblinden oder sogar sterben.

Die Fähigkeit, sich von einer für viele andere Organisamen giftigen Substanz zu ernähren, bietet methylotrophen Bakterien einen evolutionären Vorteil. Den Besitz dieser Fähigkeit definiert dabei unter anderem ein in der DNA auf dem xoxF Gen codiertes Enyzm, die Methanoldehydrogenase (MDH). Dieses Enzym besitzt ein Metallzentrum, in welches es beispielsweise das SEE Lanthan einlagern kann. Ohne das SEE im Enzymzentrum würde MDH nicht funktionieren und das Bakterium könnte nicht mehr wachsen (es sei denn, es verfügt über einen alternativen Stoffwechselweg).

In unserem Projekt können wir dieses Wissen ausnutzen: wie bei der Kriminalpolizei können wir den Fingerabdruck der methylotrophen Bakterien (hier die DNA im Boden) mit einer Datenbank (hier der bekannten DNA-Sequenz des xoxF Gens) abgleichen und ein “Match” finden. Enthält die im Boden befindliche DNA das xoxF Gen, wissen wir, dass methylotrophe Bakterien am Probenentnahmeort leben. Wir müssen also nicht selbst die Bakterien identifizieren, sondern können einfach ihren Spuren nachjagen.

 

Warum NRW und warum Schüler*innen?

Nordrhein-Westfalen hat eine lange Geschichte des Bergbaus, die bis in die Römerzeit zurückreicht und die vor allem auf die Gewinnung von Erzen, Steinkohle, Braunkohle und Salz abzielte. Im einem früheren Bergbaugebiet wurde gezeigt, dass die Boden dort mit SEEs angereichert sind. Anhand dieser Beobachtung kann vermutet werden, dass sich in solchen Böden SEE nutzende Organismen sammeln.

Als Schüler*innen könnt ihr diesem Projekt helfen, indem ihr Proben an interessanten Standorten sammelt. Zu solchen Orten gehören beispielsweie alte Bergbaugebiete und feuchte Grasgebiete (hier bietet sich beispielsweise ein Wochenendausflug an), ihr könnt aber auch bei euch lokal Proben sammeln. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Proben nicht an Standorten genommen werden, die die persönliche Sicherheit gefährden oder gegen das Hausrecht verstoßen.

Der besondere Vorteil daran, euch Schüler*innen als Probensammelnde zu engagieren ist die Diversität und geographische Streuung der Proben. Da Schulen nach Einzugsgebieten organisiert sind und Schüler*innen recht zufällig verteilt in diesem Gebiet wohnen, kann ein breites Spektrum an Böden in einem definierten Bereich abgedeckt werden. Wissenschaftliches Arbeiten und Einblicke in den schulfernen Forscher*innenalltag sollen unabhängig von sozialer Herkunft und Bildungshintergrund vermittelt, und die Schüler*innen an der Ergebnispräsentation beteiligt werden. Zusätzlich dazu erlaubt die Einbindung der Schüler*innen eine gesellschaftliche Diskussion über das Thema Resourcenabhängigkeit im Zusammenhang mit Seltenerdelementen. 

Projektziel

Das erste Ziel dieses Projektes ist dabei erst einmal ein reiner Informationsgewinn über die Zusammensetzung der Böden, die in ihnen enthaltenen Bakterien und das Vorkommen von SEE in Böden in NRW. Wenn wir die Zusammensetzung des Bodens kennen, können wir diese mit dem Vorkommen and SEE-nutzenden Bakterien korrelieren, und dadurch Aussagen über die Häufigkeit und das Vorkommen solcher Mikroorganismen in Böden treffen. Interessant ist dabei zu sehen, ob ehemalige Bergbaugebiete auch hier hohe SEE-Konzentrationen in der Erde aufweisen, und ob diese Bodenbildungsprozesse auf anthropologischen oder natürlichen Ursprung zurückgeführt werden können.  Oben kannst du eine kleine Zeitleiste für das Projekt sehen – und wenn am Ende des Jahres genug Informationen gesammelt sind, kann auf den Ergebnissen ein weitreichenderes Projekt geplant werden.

Wir  wollen  folgende  Forschungsfragen beantworten:  

  1. Wie  unterschiedlich  ist  die  Zusammensetzung  von  SEE  in  Böden  in  NRW?  

  2. Welche Bakterienstämme können wir an verscheidenden Standorten finden? 

  3. Kann man einen Zusammenhang, zwischen dem Vorkommen von SEE Mineralen und den vorhandenen Bodenbakterien  am  Standort  herstellen? 

  4. Welche  der  isolierten  Bakterienstämme  eignen  sich  am besten für selektives Recycling aus SEE-haltigem Elektroschrott und Abwässern? 

Wir verstehen uns dabei als Citizen Science Project, also als bürgerwissenschaftliches Projekt. Somit gehört zu unseren Zielen nicht ausschließlich der Erkenntnisgewinn, sondern auch die Vermittlung von Wissenschaft an die breite Bevölkerung, in diesem Falle spezifisch Schüler*innen. Dabei werden wir von der Bürgeruni der HHU gefördert und unterstützt.

Quellen

Binnemans, Koen, Peter Tom Jones, Bart Blanpain, Tom Van Gerven, Yongxiang Yang, Allan Walton, und Matthias Buchert. Recycling of rare earths: a critical review. Journal of Cleaner Production, 2013. 

Erdmann, Martin. Seltene Erden - Informationen zur Nachhaltigkeit. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, 2021. 

Europäische Kommission. Widerstandsfähigkeit der EU bei kritischen Rohstoffen: Einen Pfad hin zu größerer Sicherheit und Nachhaltigkeit abstecken. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, 2020.

European Commission: Directorate-General for Internal Market, Industry, Entrepreneurship and SMEs, Gian Andrea Blengini, Cynthia EL Latunussa, Umberto Eynard, Cristina Torres de Matos, Dominic Wittmer, Konstantinos Georgitzikis, Claudiu Pavel, Samuel Carrara, Lucia Mancini, und Manuela Unguru, Darina Blagoeva, Fabrice Mathieux, David Pennington. Studie zur EU-Liste kritischer Rohstoffe (2020): Abschlussbericht, Publications Office, 2020.

Gorniak, Linda, Julia Bechwar, Martin Westermann, Frank Steiniger, and Carl-Eric Wegner, Different Lanthanide Elements Induce Strong Gene Expression Changes in a Lanthanide-Accumulating Methylotroph, Microbiology Spectrum, 2023.

Neuhaus gen. Wever, Susanne, Dagmar Meyer, und Frank Schönfeldt. Jahresbericht 2018 der Bergbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen. Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, Bezirksregierung Arnsberg, 2018.

Rüttinger, Lukas, Robert Treimer, Günter Tiess, Laura Griestop, Fiona Schüler, und Janis Wittrock. "Fallstudie zu den Umwelt- und Sozialauswirkungen der Gewinnung Seltener Erden in Bayan Obo, China". Adelphi, 2014.

Sager, Manfred, und Oliver Wiche. Rare Earth Elements (REE): Origins, Dispersion, and Environmental Implications—A Comprehensive Review. Environments, 2024.

Schulz, Klaus J., John H. DeYoung Jr., Robert R. Seal II, and Dwight Bradley, Rare-earth elements, chapter 0 of Critical mineral resources of the United States—Economic and environmental geology and prospects for future supply. U.S. Geological Survey, 2017.

Wiche, Oliver, Viola Zertani, Werner Hentschel, Roland Achtziger, und Pavol Midula. Germanium and rare earth elements in topsoil and soil-grown plants on different land use types in the mining area of Freiberg (Germany). Journal of Geochemical Exploration, 2017.

Weiterführende Literatur

Jahn, Bérénice und Lena J. Daumann. Die faszinierende bioanorganische Chemie der Selten-Erd-Elemente. Chemie in Unserer Zeit, 2018.

Erdmann, Martin. Seltene Erden - Informationen zur Nachhaltigkeit. Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, 2021. 

Geologischer Dienst, NRW. Boden - Entdecken & Verstehen.

Wissenschaft im Klassenzimmer, Initiativprojekt (Englisch): Methylothon

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